Die grösste Herausforderung unserer Zeit

02.05.2016

Die Rede zum 1. Mai von unserer Präsidentin, Viviane Schindler.
Liebe Genossinnen und Genossen,
Liebe Freundinnen und Freunde,
Ich möchte gleich zu Anfang Beichte ablegen und euch, mein dreckiges, kleines Geheimnis anvertrauen; ich arbeite bei einer Bank.
Doch einmal abgesehen davon, dass man in dieser Branche tagtäglich mit der Lohnarbeit anderer Menschen und einem verdammt monströsen Haufen Geld zutun hat, lerne ich auch einiges über das neoliberales System in dem wir leben. Davon möchte ich euch eine Anekdote erzählen.
Vor einem guten halben Jahr gab es eine schweizweite Versammlung aller Mitarbeitenden und Verwaltungsräte unserer Bankengruppe. Keine Sorge, es ist nicht die UBS, sondern die genossenschaftlich organisierte Raiffeisenbank. 10'000 Personen trafen sich in Basel zur Diskussion der neuen Strategie. Man muss dabei wissen, dass es sich dabei zu grossen Teilen um Schalterpersonal und Kundenberater*innen handelt.
Und wie werden wir in Empfang genommen? Durch ein Hologramm, welches die Zukunft darstellen soll. Ein Programm soll in naher oder etwas ferneren Zukunft die Identifikation der Kunden übernehmen und der dazu passende Roboter den Wunsch des Kunden erörtern. „Grüeziwohl Frau Stirnimah, drühundert Franke, vom Lohnkonto, gern in Hunderte Note, sehr gern, merci vielmol, Ufwiederseh Frau Stirnimah und en schöne Tag.“
Bei mir hinterliess dies einen ziemlich fahlen Beigeschmack. Ersetzt durch einen Roboter, so einfach war das.Doch nicht nur in der Bankenbranche zeichnet sich dieser Trend zunehmend ab. Egal ob die Kassen bei der Migros oder die Latenight-Bestellung nach dem Ausgang im Mac Donalds, überall stehen Computer und ersetzen Arbeitsplätze. Alles was wir berechnen können oder jemandem sagen, was er oder sie tun soll, wird in Zukunft von Robotern und Algorithmen übernommen werden können. Vor dieser Entwicklung graut es mir.
Automatisierung und Technologisierung sind nichts Neues.
Die Angst, dass Menschen durch Maschinen ersetzt werden genau so wenig. Doch bis anhin konnte sich diese Angst nicht bewahrheiten. Was den Maschinen, den Robotern und den Computern bis jetzt gefehlt hat, ist Intelligenz. Die eigentliche „zwischen den Zeilen lesen“, die Aufnahme, Interpretation und Verarbeitung komplexer Informationen waren Aufgaben, die dem Menschen vorbehalten waren. Bis jetzt!
Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet eben dieses Phänomen: eines, welches uns das Leben zu aller erst einmal zu einem schöneren, bequemeren, besser machen kann. Theoretisch.
Doch heute nimmt das ganze ein neue Dimension an, nämlich genau jene nach der Frage, wie die wenige Arbeit verteilt werden wird, welche es noch geben wird, wenn nicht mehr nur Kassierer und Kassiererinnen in der Migros, sondern auch Kundenberaterinnen, Detailhandelsangestellte und Servicepersonal durch intelligente Computer ersetzt werden können.
Fokussieren wir uns doch einmal auf die Hauptproblematik;
Um Geld zu verdienen, braucht man heutzutage nicht mehr zu arbeiten, sondern man braucht Maschinen – also Kapital. Da dieses immer produktiver wird, die Maschinen immer intelligenter und dadurch noch mehr Profit abwerfen, wird es sich immer weiter nur lohnen, Arbeit durch Kapital zu ersetzen. Mit der Folge, dass enormer Druck auf Löhne eben dieser (und immer mehr) Berufe entsteht.
Parallel zu dieser beängstigenden Entwicklung, konzentriert sich das Kapital in immer weniger Händen, deren Besitzer (und deren Händen) kein Mühen mehr scheuen müssen, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten.
Auch dafür gibt es schon lange ein Wort: Feudalismus!
In der Schweiz besitzt ein Prozent so viel Vermögen wie die restlichen 99%, damit sind wir hinter Singapur die Nummer 2 der Welt. Auch hier in der Schweiz spüren wir also diese Vermögenskonzentration. Und deshalb müssen auch wir hier die wahrscheinlich grössten Herausforderung der nächsten Jahrzehnte angehen, bevor es zu spät ist.
Das Bedingungslose Grundeinkommen zielt genau auf diese Debatte hin, weshalb die JUSO SG die Ja-Parole herausgegeben hat - denn die Diskussion ist dringend, gerade für die Linke, gerade für die Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Ein geregeltes Einkommen lässt den Raum für mehr Kreativität offen. So wird der Druck, einen Beruf zu erlernen, der später Geld bringt, verringert und wir kriegen wieder die Möglichkeit, den Beruf zu erlernen, der unserer Passion entspricht. „De Füfer und s’Weggli“, so quasi. Dies scheint mir ein sehr humanistischer Ansatz, für den es sich zu kämpfen lohnt! Ob man das BGE für die richtige Antwort hält, sei einem überlassen. Aber wir müssen uns dieser Thematik annehmen, bevor der Zug abgefahren ist.
Der Satz „Jeder und jede ist ersetzbar“ hallt mir in den Ohren. Wollen wir dies zulassen? Wir, die wir doch für alle kämpfen, statt für wenige.
Packen wir’s an!